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Von Hero to Zero – und zurück

kevin_lötscher-Beitrag

Es war für Kevin Lötscher wie ein Traum. Martin, sein Vater, war ein erfolgreicher Eishockeyprofi in Sierre und Lugano gewesen. Seine beiden Buben eiferten ihm nach, standen jede freie Minute auf dem Eis. Der jüngere, Kevin, war dabei mit reichlich Talent gesegnet. Er wollte so werden wie sein grosses Vorbild Jaromir Jagr, einer tschechischen NHL-Ikone. Bei den SCL Tigers fand Kevin den Einstieg in die Nationalliga A, wechselte nach einem NLB-Abstecher zum EHC Biel und erhielt die ersten Aufgebote für die A-Nationalmannschaft. Beim letzten Spiel seines WM-Debüts 2011 im slowakischen Kosice wird er nach zwei Treffern gegen die USA zum «Man of the Match» gekürt. Und er freute sich dann auf seine nächste Station; beim SC Bern hatte er einen Zweijahresvertrag unterzeichnet und er würde erstmals auch richtig Geld verdienen.

Doch fünf Tage später, morgens um 4 Uhr in Siders. In einem Sekundenbruchteil ändert sich alles – es wird schwarz. Kevin wird nach einem geselligen Abend mit Freunden von einer angetrunkenen Autolenkerin angefahren und durch die Luft geschleudert. Kevin liegt 10 Tage im Koma. Die Ärzte im Inselspital Bern diagnostizieren ein Schädel-Hirn-Trauma.

«From hero to zero» – so blickt Kevin heute zurück. Es folgt für den 23jährigen eine ganz schwierige Zeit, wo ihm seine Familie viel Kraft gibt. Er erholt sich körperlich, versucht es nochmals als Eishockeyspieler – aber es geht nicht mehr. Im Februar 2014 bricht er seine Karriere endgültig ab. «Es war eine sehr harte Entscheidung», sagt Kevin, «aber es war die richtige Wende.» Ganz auf die Beine kam er letztlich mit professioneller Hilfe und einem Sportpsychologen – auch das war ein persönliches Eingeständnis. «Wenn du Zahnweh hast, gehst du zum Zahnarzt – wenn dein Auto ein Problem hat, fährst du zur Garage – aber wenn du ein Problem im Kopf hast?» fragt er vielsagend. «Psychische Gesundheit darf kein Tabuthema sein. Man muss Hilfe annehmen können.»

Kevin ist heute auch seinem Vater sehr dankbar. Dieser hatte ihn schon während der Sportkarriere bestmöglich beraten und unterstützt. «Wir hatten vorgesorgt mit einer Versicherung, ich hatte mein Geld immer gut angelegt.» Der Walliser ist mittlerweile selber Vater von zwei Jungs, die ihm viel Energie geben. Er bezeichnet sich als «Vollblutpapi».

Kevin hat sein neues Leben gestartet. Er lancierte seine eigene Marke – «Sorgha», Sorge zu sich tragen. Nach der Pandemie-Baisse ist er wieder vermehrt als Keynote Speaker gebucht, sein aktueller Auftritt trägt die knackige Überschrift «You are the playmaker». Er verführt Unternehmer, Kaderleute und Mitarbeitende in sein Leben, erzählt mit entwaffnender Offenheit, illustriert mit intimen Bildern – und muntert auf, sein Leben zwar selber zu lenken, aber auch Hilfe von aussen anzunehmen.

«From hero to zero» – und wieder zurück. Kevin hat sein Schicksal akzeptiert und hinter sich gelassen. Er hadert nicht mehr, er atmet die neue Luft, spürt als 34jähriger wieder Farbe in seinem Leben. Er ist damit auch für viele Leistungssportler zu einem tollen Vorbild geworden, wie man vorsorgen, Support von aussen annehmen, einen neuen Weg finden kann. Zurück zum inneren Frieden.

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