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Der öffentliche Erwartungsdruck war gigantisch: Als Skiweltcup-Gesamtführender und mit vier Siegen in den bisherigen fünf Weltcup-Riesenslaloms hatte sich der Nidwaldner Marco Odermatt in die Poleposition für Olympiagold gefahren. Nun hat er abgeliefert – und hat sich im Stil eines Routiniers durchgesetzt. Ein Lehrstück, dass auch einer gewissen sportliche Logik zu folgen scheint. Von der akribischen Ski-Statistik seines umtriebigen Vaters Walter Odermatt wissen wir, dass Marco in seinem bisherigen Leben als Skifahrer 1910 Tage auf den Skis zubrachte, um nun auf der ganz grossen Bühne des Weltsports angekommen zu sein.

Von Hanspeter Gubelmann, Sportpsychologe mind2win

 

Wie lang der Weg zum olympischen Erfolg sein kann, zeigen die Karriereverläufe der Schweizer Teamleader in den schnellen Alpin-Disziplinen. Lara Gut-Behrami verpasste 2010 aufgrund einer schweren Verletzung die Spiele in Vancouver, holte in Sotchi 2014 Bronze in der Abfahrt und musste bis 2022 auf den Gewinn ihrer Goldmedaille warten. Vor Wochenfrist gewann sie Gold im Super-G. Gar 31 Jahre alt werden musste Beat Feuz, ehe er 2018 seine ersten Olympiamedaillen in Pyeongchang gewann (Silber im Super-G, Bronze in der Abfahrt). Mit seinem Sieg in der Olympiaabfahrt in Beijing setzte er seiner imposanten Skikarriere die Krone auf. Wie schon in einem früheren Blog auf unserer Webseite beschrieben, scheint sich auch Erfahrung, nebst vielen anderen entscheidenden Aspekten, auszuzahlen.

Riesenslalom – eine andere Welt

Der Riesenslalom gilt als die zentrale Disziplin des alpinen Skirennsports. Dort erhalten die jungen Ahtlet*innen den technischen Feinschliff, ehe die schnellen Sparten Super-G und Abfahrt in Angriff genommen werden. Dem Trainingstagebuch von Marco Odermatt ist zu entnehmen, dass er bisher an 1910 Tagen auf seinen Ski stand, ehe er zu seiner aktuellen Olympia-Gold-Premiere kam. Viele dieser Trainingstage dürfte der Nidwaldner Ski-Crack auf Slalom- und Riesenslalombrettern zugebracht haben. Entsprechend gross sind Erfahrungsschatz und technisches Vermögen.

Auch hier zeigt der Blick in die Schweizer Ski-Historie Interessantes: Der vor Olympia Beijing zurückgetretene Carlo Janka gewann an den Olympischen Winterspielen in Vancouver 2010 die Goldmedaille im Riesenslalom. Spannend dabei: der Bünder verwies in einem Interview auf eine Duplizität der Ereignisse: «Odi passiert derzeit nahezu dasselbe, wie ich es bei den Olympischen Spielen 2010 in Vancouver erlebt habe.» Tatsächlich ist Janka vor zwölf Jahren genau wie Odermatt jetzt als umjubelter Shootingstar und Gesamtweltcup-Leader zu Olympia gereist. Mit vier Saisonsiegen im Gepäck. Bernhard Russi prognostizierte damals drei Janka-Medaillen.“

So geht das: Leckt-mich-am-Arsch

Und dann das: Janka, der drei Wochen zuvor in überragender Manier am Lauberhorn triumphiert hatte, vermasselte an Olympia den Super-G und die Abfahrt. Was folgte, war – zumindest resultatmässig – die Vorlage für Marco Odermatt heute. Janka gab damals folgenden spannenden Einblick: «Irgendwann habe ich dann die Leckt-mich-am-Arsch-Haltung angenommen. Ich habe mir gesagt: Wenn es im Riesen mit der Medaille klappt, ist es super, wenn nicht, hole ich mir das Edelmetall halt vier Jahre später. Damit habe ich mir jeglichen Druck genommen».

Wir wissen nicht, was im Kopf von Marco Odermatt vor seinem grossen Triumph tatsächlich abgelaufen ist. Offensichtlich ist es ihm gelungen – ähnlich wie Carlo Janka zwölf Jahre zuvor – dem Druck standzuhalten und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – nämlich, mit stupender Skitechnik, viel Überzeugung und grossem Selbstvertrauen die beiden Läufe zu bestreiten.

Ein entspanntes Umfeld hilft!

Woher Marco Odermatt diese Zuversicht und Gelassenheit nahm, entzieht sich meiner Kenntnis. Einen Hinweis gibt mir die kurze SMS-Korrespondenz, welche ich mit seinem Vater Walti zwischen den beiden Läufen hatte. „Nun gilt es Daumen zu drücken – mehr können wir nicht mehr machen – ansonsten: es geht weiter im Winter – Peking ist nur eine Momentaufnahme – eine wichtige zwar.“ Diese entspannte Grundhaltung im Umfeld junger Spitzensportler*innen wünschte ich mir öfters.

 

Quellen:

https://www.blick.ch/sport/ski/janka-war-vor-12-jahren-in-derselben-situation-wie-jetzt-odermatt-ich-siegte-mit-der-leckt-mich-am-arsch-haltung-id17228416.html

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